Dienstag, 26. März 2019

Washington, Tag 1

     
Zunächst fand sich die zu unterschiedlichen Zeitpunkten angereiste Delegation zu einem Auftaktmeeting in den schönen Räumlichkeiten des vom Departement of State mit der Organisation der Reise beauftragten Dienstleisters Meridian zusammen. Gegenseitige Vorstellung, Abgleich von Erwartungen, Organisatorisches waren Inhalt des 1-stündigen Treffens. Danach ging es zum Department of Energy (DoE), architektonisches Kleinod aus den späten 60ern, wo der Autor schon in 2014 anlässlich der SH-Delegationsreise in Sachen Offshore schon einmal die aufwändigen Sicherheitskontrollen erleben durfte (Wolfgang Schulz wird sich erinnern…).Dann folgten Präsentationen von vier Referenten mit angeregter Diskussion mit einer Reihe interessanter Erkenntnisse:
  • Das DoE (und nicht das Pentagon) ist u.a. auch zuständig für die Sicherheit der auf amerikanischem Boden stationierten Nuklearwaffen – fast 2/3 des Gesamtbudgets wendet es dafür auf! 
  •  Das DoE unterhält ein Netz von Forschungsinstitutionen, verteilt über das ganze Land – man hat Interesse an Kooperationen und gemeinsamer Budgetierung mit deutschen Forschungsinstituten. 
  •  Dem DoE obliegt die Genehmigung für Das-Exporte nach dem Gas-Act von 1938, als man von der Shale-Gas-Revolution, die die USA zu einem bedeutenden Gas-Exporteur machen würde nichts ahnte.
-        Interessant: für Länder, mit denen Freihandelsabkommen unterhalten werden, werden Genehmigungen i.d.R sofort erteilt – ein Grund mehr, aus EU-Sicht das gescheiterte TTIP-Projekt irgendwann wieder zu beleben (mit anderem Namen und ohne Chlorhühnchen). 
      Bis auf ein Projekt in Alaska, das auf State-Level gefördert wird, gibt es für die LNG-Infrastruktur keine Subventionen.  Aktuell gibt es drei LNG-Exportterminals „under operation“, eins davon, in Corpus Christi, werden wir diese Woche noch zu sehen bekommen, weitere sind „under construction“ und nochmal weitere sind bereits genehmigt. 

      Aktuell beträgt die Export-Kapazität50 bcm (Milliarden cubicmeter) pro Jahr, Ende 2020 werden es schon 110 bcm sein und das ist bei weitem noch nicht das Ende der Möglichkeiten – zum Vergleich: der gesamte Gasverbrauch in Deutschland im Jahr beträgt rund 80 bcm.

-         Das DoE beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Methan-Emissionen und fördert Forschung und Entwicklung um diese von der Förderung bis zum Verbrauch so weit als möglich zu reduzieren. Die in der Diskussion in Deutschland behauptete besonders hohe Methan-Emission der Fracking-Methode wurde bestritten – vielmehr wurde auf eine Studie verwiesen, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Emissionen über die ganze Kette betrachtet sich für nach Europa verbrachtes LNG nicht wesentlich von denen russischen Pipelinegases unterscheiden. Wobei darauf verwiesen wurde, dass für letzteres die Datenlage sehr schlecht sei und einiges geschätzt wurde. Die Studie soll uns im Nachgang zur Verfügung gestellt werden.


Nach einem schnellen Lunch in der Kantine des DoE (da kann die Landeshauskantine leider nicht so richtig mithalten) ging es zurück zu Meridian wo wir uns mit Charlie Riedl, Executive Director des Centers for Liquefied Gas (CLNG) trafen, einem Verband der LNG-Industrie der USA. Seine wesentlichen Botschaften:

-        ´Die USA werden in 2019 zum drittgrößten LNG-Exporteur werden.
-          Der Rückgang der europäischen Gasproduktion bei gleichzeitig auf absehbare Zeit steigender Nachfrage – u.a. wegen des Ausstiegs aus der Kohleverstromung in einigen Ländern der EU – sorgen in 2030 für einen Importbedarf von 400 bcm. Ein Bedarf, der so groß ist, dass der sowohl durch LNG als auch durch vorwiegend russisches Pipelinegas bedient werden kann.

-          U.a. weil der Referenzpreis für LNG in den USA (Henry Hub) nicht am Ölpreis hängt sei US-LNG bei weiter sinkenden Kosten für Transport in Deutschland und Europa wettbewerbsfähig.

-        Auf meine Frage nach der Einschätzung, dass Russland die Preise für US-LNG jederzeit unterbieten könne, antwortete er mit Skepsis: auf Dauer könne Russland das nicht durchhalten, wenn mit Kampfpreisen der eigene Business-Case gefährdet werde. Dazu passt, dass Gazprom diese Woche zum ersten Mal in einer offiziellen Kommunikation hat verlautbaren lassen, dass sie einen echten und harten Wettbewerb mit US-LNG erwarten.
Nach der Session habe ich Charlie Riedl noch einige Fragen gestellt (Audio starten)

Und schon ging es zurück ins Regierungsviertel, diesmal zum Department of State (DoS), ein ähnlich attraktiver Bau wie das DoE. Stammt auch aus der gleichen Epoche. Mit den Vertretern des DoS ging es vor allem um die geopolitischen Implikationen rund um LNG und Projekten wie Nordstream 2. Passenderweise war in dem Gang unseres Sitzungsraumes ein riesiges Foto vom roten Platz – musste ich fotografieren obwohl muir dafür wahrscheinlich Verhaftung droht oder ich an der Ausreise gehindert werde.


Erkenntnisse:
-         Die DoS-Vertreter sind sich der Schwierigkeit und der Sensibilität der Debatte in Deutschland bewusst und betonen ihren strategischen Ansatz der Diversifikation, Vermeidung von Abhängigkeiten, Unterstützung der Ukraine, die mit Nordstream 2 und Turkstream vollständig umgangen werden soll etc. Alles Argumente, die von den meisten Außenpolitikern in Deutschland geteilt werden, in der Debatte aber nicht durchdringen. Man sucht im DoS neue Ansätze der Kommunikation – die Delegation wurde um Ansatzpunkte gebeten.
-         Der ebenfalls in der deutschen Debatte regelmäßig auftauchende Vorwurf, man wolle ja nur das eigene LNG verkaufen wird zurückgewiesen mit dem Hinweis auf zahlreiche Projekte der Diversifikation in Europa – Interkonnektoren, Reverse-Flow-Pipelines, Ausbeutung neuer Vorkommen wie in Zypern - welche die USA alle vorbehaltlos unterstützen, obwohl diese theoretisch auch ihr Geschäftsinteresse mit dem eigenen LNG beeinträchtigen,
-          Die Verabschiedung der europäischen Gasrichtlinie wird grundsätzlich positiv gesehen, man ist aber zurückhaltend bzw. abwartend, weil die offenbar von ihren Gesprächspartnern in Brüssel und Berlin und in anderen europäischen Hauptstädten sehr unterschiedlich interpretiert wird.
-         Den Widerstand gegen Nordstream 2 werde man nicht aufgeben, die beteiligten Unternehmen arbeiteten weiter unter Sanktionsgefahr.
Fazit Tag 1: volles Programm, sehr spannend, viele Infos und zumindest am Vormittag herrlichstes Frühlingswetter. Trump, Netanjahu haben wir nicht getroffen und den Mueller-Report leider auch nicht zugesteckt bekommen. Bis morgen.

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